In der Flut der Holocaust-Filme ragt Jonathan Glazers „The Zone of Interest“ durch seinen einzigartigen Ansatz heraus. Nach seinem umjubelten Kinostart im Februar 2024 ist das erschütternde Drama ab dem 3. Oktober endlich auch bei Sky verfügbar – und sorgt weiterhin für Gesprächsstoff. Der Film erinnert in seiner distanzierten Erzählweise an die Erschütterung, die man bei ähnlichen Werken wie Claude Lanzmanns „Shoah“ empfindet. Doch anstatt das Grauen direkt zu zeigen, bleibt es hier oft im Verborgenen, was die Wirkung umso verstörender macht.
Ein stilles Grauen am Rande der Hölle
Der Film, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Martin Amis, erzählt die Geschichte von Hedwig Höss und ihrer Familie, die in unmittelbarer Nähe des Konzentrationslagers Auschwitz leben. Die Kamera fängt ihre scheinbar perfekte Idylle in klaren, strahlenden Bildern ein: ein gepflegter Garten, fröhlich spielende Kinder, das Leben eines privilegierten, wohlhabenden Haushalts. Doch im Hintergrund lauert das Unaussprechliche – die Schreie aus dem Lager, der Rauch der Krematorien, der nie gesehene, aber stets spürbare Tod.
Jonathan Glazer geht in seinem Film einen radikalen Weg. Er zeigt das Grauen des Holocaust nicht direkt, sondern lässt es fast vollständig außerhalb des Bildes passieren. Die Zuschauer erleben den Schrecken aus der Ferne, wie die Figuren des Films selbst – eine erschreckende Reflexion über die Mechanismen von Verdrängung und Normalisierung des Bösen. Diese Entscheidung ist nicht nur mutig, sondern von tiefem psychologischen Feingefühl geprägt: Der Zuschauer wird gezwungen, die Leerstelle selbst zu füllen, die Grausamkeit in seinem eigenen Kopf zu rekonstruieren.
Ein gefeiertes Meisterwerk
„The Zone of Interest“ ist nicht nur visuell ein Meisterwerk. Auch das Sounddesign trägt entscheidend zur Wirkung des Films bei. Die fast ständige Geräuschkulisse aus unheilvollem Lärm – Schreie, Maschinen, immer wieder das bedrohliche Zischen des Lagers – zieht den Zuschauer in eine permanente Anspannung, die auch lange nach dem Ende des Films anhält. Es scheint also wenig überraschend, dass der Film, der übrigens auch als Bester internationaler Film überzeugen konnte, den diesjährigen Oscar für den Besten Ton erhalten hat.
Sandra Hüller („Zwei zu eins“), die im Film die Rolle der Hedwig Höss verkörpert, brilliert stets durch ihre eiskalte Zurückhaltung. Sie führt den Haushalt mit einer Strenge, die sie zur perfekten Verkörperung des „ganz normalen Bösen“ macht. Der Alltag in der Höss-Villa wird zu einem grotesken Spiegelbild des Grauens, das direkt hinter der Mauer des Lagers stattfindet. Christian Friedel („15 Jahre“) als Rudolf Höss ist ebenso erschreckend eindimensional – ein Mann, der die Vernichtung von Millionen Menschen organisiert und dabei abends liebevoll mit seinen Kindern am Tisch sitzt.
Wer erwartet, dass „The Zone of Interest“ eine einfache oder erlösende Erfahrung sein wird, sollte sich auf etwas anderes einstellen. Glazers Film ist ein stilles, aber kraftvolles Meisterwerk, das weniger auf konventionelle Dramaturgie als auf die Kraft der Andeutung und des Unsichtbaren setzt. Die Familie Höss steht hier nicht im Gegensatz zu den Gräueltaten von Auschwitz – sie ist vielmehr deren Spiegelbild.
Ab dem 3. Oktober kann man dieses außergewöhnliche Stück Filmkunst bei Sky erleben – ein Film, der so viel sagt, indem er so wenig zeigt.